Die olympische Idee und der Wert für Pflegefamilien

Von Gastautorin Pamela Premm.

Die ersten Dopingfälle sind bereits aufgetreten. Wettkämpfe finden vor halbleeren Rängen statt. Die Annährung von Nord- und Südkorea bei der Eröffnung wird voraussichtlich eine Werbeschau bleiben. Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang haben es schwer. Zu stark sind die medialen Interessen. Der Preis, der für die Umsetzung bezahlt wird, ist mittlerweile hoch: Kommerzialisierung und Ressourcenverschwendung finden auf Kosten von Athleten und der Bevölkerung statt. Dazu kommt eine zunehmende Abkehr vieler Menschen von den Superlativen: höher, weiter, schneller. Schließlich befinden wir uns alltäglich in unserem eigenen Hamsterrad.

Doch trotz heftiger Diskussion ist der Grundgedanke von Olympia ehrenhaft. Die olympische Idee von Pierre de Coubertin, dem Initiator der modernen Olympischen Spiele, hat pädagogische Wurzeln. Sie beruht auf fünf Grundprinzipien, die in der heutigen Zeit an Kraft und Relevanz nicht verloren haben. Im Ursprungsgedanken spielen Rücksichtnahme, Gemeinschaftsgefühl und Selbstgestaltung eine wichtige Rolle: Werte, die gerade für Familien und Pflegefamilien von besonderer Bedeutung sind. Also: Die olympische Idee und der Wert für Pflegefamilien ganz konkret:

1. Sport macht uns zu Verbündeten

Coubertin vertritt einen ganzheitlichen Erziehungsansatz des Sports und verknüpft die athletische Komponente mit der Klarheit der Gedanken und der Fairness im Handeln. Jeder, der selbst einmal Sport betrieben hat, kann das nachvollziehen. Im Moment der körperlichen Anstrengung ist man ganz bei sich. Die Gedanken sind fokussiert. Dabei nimmt man Rücksicht auf andere und geht respektvoll mit seinen Kontrahenten um. Sport fördert nach Coubertin die gesamte Harmonie des Menschen.

Heute kommt dieser ausgleichenden Wirkung noch eine stärkere Bedeutung zu. Denn je mehr Stress wir haben, desto wichtiger ist es, sich genau diese aktiven Auszeiten zu nehmen und durch Bewegung neue Kraft zu schöpfen. Auch in Familien und Pflegefamilien ist die gemeinsame Bewegung eine wichtige Energiequelle. Ob wir nun durch den Wald toben oder Zeit im Schwimmbad verbringen – die gemeinsame Aktivität wirkt sich positiv auf unser Gemeinschaftsgefühl aus. Sport stärkt unsere Familienkultur und beeinflusst, wie wir im Alltag miteinander umgehen. Im gemeinsamen, sportlichen Erleben werden wir zu Verbündeten und das schweißt dauerhaft zusammen.

2. Spielräume schaffen, um sich selbst zu erproben

Klar geht es bei Olympia in erster Linie um den sportlichen Erfolg und um Rekorde. Das sind die Begleiterscheinungen der Kommerzialisierung. Aber Coubertins Ansatz von Olympia greift weiter. Es geht um Selbstgestaltung und die Fragestellung, wozu jeder Einzelne von uns eigentlich in der Lage ist. Der Sportwissenschaftler Ommo Grupe bezeichnet den Sport als „Medium der Selbsterprobung.“ Während der Spiele gibt es immer wieder diese Lichtgestalten, die genau dieses Spielfeld für sich nutzen.

Die olympische Idee und der Wert für PflegefamilienWer erinnert sich nicht all‘ zu gern an den Briten Eddie the Eagle, der bei Olympia 1988 in Calgary direkt von der Schanze in die Herzen der Menschen sprang. Oder an Eric Moussambani aus Äquatorialguinea, der bei den Schwimmwettbewerben in Sidney für stehende Ovationen sorgte, obwohl er nur mit viel Mühe überhaupt das Ziel erreichte.

Was wir daraus lernen können? Wir sollten unseren Pflegekindern und Kindern den Spielraum geben, sich zu erproben und auszutesten, an Grenzen zu gehen und diese auch mal zu überschreiten. Auf diese Weise können sie Erfolgserlebnisse sammeln, die sie brauchen, um selbstbewusst durchs Leben zu ziehen und offen für Neues zu sein.

3. Gib Dein Bestes, dann ist es gut genug

„Das Wesentliche ist nicht, ‚gesiegt‘, sondern sich wacker geschlagen zu haben.“ So heißt es in einem Zitat von Coubertin. Ihm geht es um die Amateurgesinnung. Es zählt nicht das Gewinnen, sondern die Auslotung der eigenen Fähigkeiten. Damit grenzt er die olympische Idee von dem Gedanken der Kommerzialisierung ab. Die persönliche Bestleistung ist für viele Sportler in ihren Disziplinen noch heute das erklärte Ziel.

Das Bewusstsein, über sich hinauswachsen und sich selbst steigern zu können, wenn man nur genug übt, sind die Basis für ein gesundes Selbstvertrauen. Disziplin, gekoppelt mit Willensstärke erlauben uns, dass wir im Rahmen unserer körperlichen und persönlichen Grenzen besser werden. Doch wir lernen nicht nur, dass wir mit der nötigen Anstrengung einiges erreichen können. Wir lernen auch, anzuerkennen, dass irgendwann die eigene Grenze erreicht und ein anderer besser ist. Auch hier drückt sich die olympische Idee und der Wert für Pflegefamilien ganz konkret aus. Kennen doch viele Pflegefamilien aus ihrer eigenen Erfahrung mit den Pflegekindern genau diesen Prozeß des langsamen Entwickelns von Leistungsfähigkeit, um dann wieder im nächsten Moment die Grenzen der Entwicklung anzuerkennen. Eine wirklich starke Leistung genau hier eine zielführende Balance zu halten.

4. Lasst uns fair miteinander umgehen

Der olympische Sport bzw. Sport im Allgemeinen ist mehr als nur das Training und Ausübung einer Disziplin. Es geht auch darum, Regeln einzuhalten und dem Gegner fair gegenüberzustehen. Dadurch wird der Sport in seiner Bedeutung erhöht. Die Erfahrungen, die Kinder beim Sport machen, bringen sie in vielen Alltagssituationen weiter. Wir kümmern uns, wenn sich jemand verletzt hat und am Boden liegt. Wir halten Frust und Niederlage aus und lernen dabei, unsere Gefühle im Zaum zu halten, auch wenn das erstmal weh tut. Nach einer schmerzhaften Niederlage strecken wir dem Gegner die Hand hin und zollen ihm Respekt. Im Sport haben wir Achtung voreinander.

Die olympische Idee und der Wert für PflegefamilienKinder haben sehr feine Antennen, wenn es um Gerechtigkeit geht. Gerade wenn mehrere Kinder im Familienverbund aufwachsen sind faire, klare und verständliche Regeln wichtig. Dazu gehört, auch mal Frust auszuhalten, wenn eine Regel nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Auf diese Weise können Kinder und Pflegekinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen. Der Sport kann ihnen dabei ein wichtiger Begleiter sein.

5. Frieden und Toleranz über alle Nationalitäten hinweg

Ob sich Völker annähern ist in erster Linie eine politische Frage. Aber der Grundgedanke dabei ist nicht zu unterschätzen. Wenn bei Olympia die Nationen einlaufen und hinterher gemeinsam feiern und hunderte Menschen gemeinsam eine Friedenstaube formen, hat das weite Strahlkraft. Wenn sich eine Schwedin und eine Slowakin nach einem langen, erfolgreichen Biathlon-Lauf in den Armen liegen, ist die Freude grenzüberschreitend.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft musste schon häufig als Sinnbild für gelungene Integration herhalten. Sport verbindet. Wenn im Sportverein meines Sohnes der Louis mit dem Masoud kickt, sie gemeinsam gewinnen und verlieren und hinterher zusammen Pizza essen, spielt die Herkunft keine Rolle mehr. Im Sport sind alle gleich: egal, welcher Nationalität sie angehören, welche religiösen Ansichten sie haben. Das fördert schon im Kleinen, bei den ganz Kleinen, Toleranz. Ein Kind fragt per se nicht, warum es anders ist oder warum andere, anders sind. Das lernt es erst mit der Zeit. Der Sport hat die Gabe, ein Teil der erlernten Abgrenzung wieder aufzuheben und sich in dem, was man tut, zu vereinen.

Der Ton in der Gesellschaft wird rauer

Und die olympische Idee ist gefühlt meilenweilt von dem entfernt, wie sich Olympia heutzutage präsentiert. Dennoch gibt es sie: die einzigartigen Geschichten, die Olympia schreibt. Sportler, die gemeinsam feiern, Athleten, die über sich hinauswachsen, Menschen die sich gegenseitig wertschätzen, über alle Nationalitäten hinweg. Sich im Rahmen der Gesellschaft und in den Familien und Pflegefamilien auf die grundlegenden Werte zu besinnen, ist immer noch erstrebenswert. Vielleicht erstrebenswerter denn je.

Wir freuen uns, wenn Sie in Ihrer Familie auch etwas von der olympischen Idee mit Pflegekindern leben möchten. Regelmäßig finden bei uns Informationsgespräche statt. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Weitere Artikel zum Thema: