Was von uns bleibt…bleibt etwa etwas?

Angeregt durch einen Artikel in „Zeit Wissen“ und durch einen Podcast der Sendung Lebenszeit (Deutschlandfunk) habe ich Lust mich dem Thema ‚Spuren hinterlassen‘ zu beschäftigen. Auch Pflegeeltern hinterlassen Spuren bei ihren Pflegekindern. Doch der Reihe nach.

Haben wir nicht auch den Wunsch, Spuren zu hinterlassen, sehnen wir uns nicht danach, dass etwas von uns bleibt? Wollen wir unsere geschenkten Gaben nicht so einsetzen, dass es ein „Wozu“, ein Wofür“ und etwas „Bleibendes“ von uns gibt? Und ist dies nicht vielleicht besonders für Menschen, die in Sozialen Berufen arbeiten, eine Motivation? Doch auch sonst scheint diese Frage viele, vielleicht alle Menschen in den verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich intensiv umzutreiben.

Auch Pflegeeltern stellen sich diese Frage!

Auch Pflegeeltern fragen sich manchmal in ihrer Supervision oder mit ihrer zuständigen Fachberatung, was denn in den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen von ihnen als Pflegeeltern tatsächlich bleibt. Nehmen sie wirklich etwas in sich integriertes mit?

Erst manchmal Jahre später, wenn bei gemeinsamen Kontakte das Gespräch mit den dann schon erwachsenen Pflegekindern darauf kommt, werden diese Spuren deutlich. Dann können die Kinder und Jugendlichen von damals erstaunlich lebendige Geschichten darüber erzählen, was ihnen von den jeweiligen Pflegeeltern als bedeutsam, als wichtiger Impuls für ihr Leben geblieben ist. Pflegeeltern hinterlassen Spuren. Das wird dann ganz real deutlich und gewahr. Ein schönes Gefühl für Pflegefamilien.

Wir hinterlassen ständig Spuren…

Ganz profan betrachtet hinterlassen wir ständig Spuren an jedem Ort, den wir besuchen. Fingerabdrücke (die auf Plastiktüten bis zu sieben Jahren nachweisbar sind), Hautschuppen, Haare, Kaugummis unter Schulbänken, Schnitzereien in Parkbänken, oder ganz neu in Mode gekommen: Schlösser an Brücken am besten mit den eigenen Initialen und Liebeszeichen. Wer kann dazu nicht seine ganz eigenen „Spurenhinterlassen – Geschichten“ erzählen, so ganz analog und real erlebt.Pflegeeltern hinterlassen Spuren

Und wusstet ihr: die ältesten Spuren von Menschen gibt es in Tasmanien, 3,5 Millionen Jahre alte Fußabdrücke unserer Vorfahren. Und von wem die genau sind, weiß heute wohl keiner mehr. Und der oder die, der sie hinterlassen hat, weiß auch nichts von der Bedeutung, die sie heute für uns haben. 3,5 Millionen Jahre, das sind bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 79 Jahren rund 44303 Generationen. Was für eine Vorstellung.

Zufällige Spuren…

Ist es mit vielen Spuren, die wir hinterlassen, nicht so, dass sie uns selbst gar nicht immer bewusst sind. Weißt du, wann ein zufälliger fremder „Mithörender“ von dir einen Satz aufgeschnappt hat, der sein Leben komplett verändert hat? Weißt du, wann dir das letzte Mal ein Geldschein verloren gegangen ist, der für einen Unbekannten die nächste Mahlzeit bedeutete? Wir leben in anderen weiter, ob wissend oder unwissend, und oft können wir die Bedeutungsgebung des „Spurenaufnehmenden“ kaum ermessen.

Und wann hat dir das letzte Mal ein nahestehender Mensch von einem Traum erzählt, in dem du eine wichtige Rolle gespielt hast. „Wir bewahren Menschen in uns auf und werden in anderen Menschen aufbewahrt. Für die einen ist das schlicht eine Hirnfunktion, für die anderen ein großer Trost“ (Was von uns übrigbleibt…2015). Für Pflegekinder und Pflegeeltern wohl eher zweiteres.

Ein Ritual auch für Pflegeeltern und Pflegekinder…

Beim Lesen dieser Zeilen kommt unvermittelt der Gedanke, ob es nicht sinnvoll und zielführend wäre, ein bewusstes Ritual unter Freunden, in Gruppen von sich nahestehenden Menschen oder in Pflegefamilien zu etablieren, das die Fragen „‚Ich Perspektive‘: Welche Spuren hast du in mir hinterlassen? ‚Du Perspektive‘: Welche Spuren habe ich in dir hinterlassen“, in das Zentrum der Betrachtung stellt, eben ohne dabei gleich in einen Wetteifer zu geraten. Darüber könnte dann auch mit schon etwas älteren Pflegekindern ein intensives Gespräch geführt werden, vielleicht immer um den Jahrestag des Pflegekinders herum.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Die beiden Forscherinnen Tatjana Schnell von der Universität Trier und Ursula Staudinger von der International University Bremen wissen aus ihren zahlreichen Untersuchungen, dass spätestens in der Lebensmitte die Frage nach Generativität verbunden mit konkreten Fragen wie: „Was habe ich der ‚Welt‘ weiterzugeben, wo kann ich mein Leben in einen übergreifenden Zusammenhang einordnen?“ ganz unvermittelt und mit Macht auftauchen. Gelingt es Antworten darauf zu finden, bestehen gute Chancen, das eigene Leben als sinnstiftender zu erleben.

Viele Familien entscheiden sich genau in dieser Phase – die eigenen Kinder sind schon aus dem Gröbsten raus – verhaltensorginellen Kindern nochmals eine Perspektive bei ihnen als Pflegefamilie zu geben. Sie werden Pflegeeltern, die Spuren hinterlassen wollen.

Peter Barrenstein (Direktor bei der Unternehmensberatung McKinsey und Vorstand des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer) fragt es sich selbst so: „Habe ich meine Fähigkeiten genutzt, um anderen zu helfen? War ich glücklich mit meiner Familie? Habe ich Spuren hinterlassen?“ Arbeit und Leben lässt sich dabei für ihn nicht trennen. Für ihn geht es vielmehr darum, wie der eigene Lebensentwurf in Arbeit und Leben integriert ist.Pflegeltern hinterlassen Spuren

Und wenn du dich fragst, wie oft du schon zu den Übriggebliebenen gezählt hast, dann war die Erinnerung an das gemeinsam Gelebte das einzige Lebendige das bleibt. Und du kannst dich selbst erzählen hören: das Rezept für die klassisch deutsche Roulade, mit Kartoffeln und Rotkohl, hat mir meine Großmutter beigebracht und das essen meine Kinder heute auch so gerne; oder die Feuerstelle hat mein Opa gebaut und da machen wir heute am 1. Mai immer noch Feuer und läuten die Grillsaison ein und am Ende pinkeln wir das Feuer aus, so wie es uns der Opa gezeigt hat. Und dann ist es wieder da, das wärmende Gefühl, das mit deiner Großmutter und deinem Opa so untrüglich verbunden und gespurt war.

Pflegeeltern hinterlassen Spuren…haben Sie Interesse mehr darüber zu erfahren: Nehmen Sie mit uns Kontakt auf

Quellen:

  • Was von uns übrig bleibt, …wenn wir einen Ort verlassen, einen Menschen oder gar die Welt – niemals gehen wir so ganz. Eine Spurensuche, Sven Stillich, 13. Januar 2015, Zeit wissen online
  • Lebenszeit, Deutschlandfunk „Lebensspuren – Was bleibt von mir nach meinem Tod?