Pflegefamilie gesucht – Basisstation werden
Pflegefamilie sein: Filmreif!
In diesem Jahr begeht der Geschäftsbereich „Pflegefamilien“ des St. Elisabeth-Verein e. V. sein 25-jähriges Jubiläum. Viele Kinder und junge Menschen sind in dieser Zeit in den Pflegefamilien, die von uns beraten und begleitet werden, erwachsen geworden. Es gab unzählige Glücksmomente, aber auch oft genug „dicke Luft“, die alle Beteiligten herausforderte.
„Langer Atem“ gehört wohl zur Grundausstattung all jener Menschen, die sich der Aufgabe öffnen, ein zunächst fremdes Kind in ihrer Familie aufzunehmen. „Langer Atem“ und Mut gehören auch für die Kinder und Jugendlichen dazu, wenn sie sich auf den Weg machen, in einer unbekannten (Familien-)Welt Fuß zu fassen. Vertrauen entsteht nicht von heute auf morgen. Es braucht: „Langen Atem“- immer wieder. Und „dicke Luft“ macht für gewöhnlich das Atmen für alle in der Familie nicht leichter …
Geschafft haben es trotzdem so viele! Wechselseitige Geduld haben sie bewiesen, Erwachsene und Kinder sind miteinander, aneinander gewachsen. Sie haben tragfähige, innige Beziehungen entwickelt, die häufig über die gemeinsam gelebte Familienzeit hinausreichen.
Finden Sie nicht auch, dass das „filmreif“ ist?
Basisstation gesucht. „Play!“
Wir sind eindeutig aufgeregt, als wir „Play“ drücken dürfen: zum ersten Mal am 06.08.2018. Der Rohschnitt unseres Films „Basisstation gesucht“ ist fertig. Es ist ein besonderer Moment – ein unsicherer und hoffnungsvoller Moment gleichzeitig. Der Film beginnt. Läuft. Endet.
Wir sind …!
Moment, das geht jetzt zu schnell.
Realität am Dienstagmorgen: Pflegefamilien gesucht!
An einem jeden Dienstag tagt das Aufnahmeteam unseres Geschäftsbereichs. Unzählige Anfragen von Jugendämtern zur Unterbringung von Kindern in Familien liegen vor und werden besprochen. Wenn Sie nun denken, das ist ein lediglich „formaler Akt“ für uns, dann täuschen Sie sich. Hinter jeder Anfrage verbirgt sich die Biographie eines Kindes oder Jugendlichen. Es sind ergreifende Biographien, die, so unterschiedlich sie im Einzelnen vielleicht sein mögen, eines gemeinsam haben: Die Kinder und Jugendlichen können oder wollen nicht – oder derzeit nicht – in ihren leiblichen Familien leben. Hinter jeder „formalen“ Anfrage versteckt sich folglich auch der stumme Wunsch eines (manchmal sehr) jungen Menschen: Basisstation gesucht!
Es liegt nahe, dass wir (als Fachteam) uns Menschen wünschen, die (Pflege-)Eltern für diese Kinder sein wollen. Aber, wie sage ich gerne: „Wunsch geteilt durch Wirklichkeit minus 20 % ergibt: Realität.“
Und Realität – in unserem Falle – bedeutet:
Es gibt Basisstationen nicht wie Sterne am Himmel…
Angesichts dieser Realität beginnt dann auch für unseren Geschäftsbereich die Auseinandersetzung mit einem Prozess, der in anderen Berufsfeldern „Akquise“ genannt wird: Wie kann es uns gelingen, Menschen für die Aufgabe „Pflegefamilie sein“ zu begeistern? Wie finden wir jene Menschen, die Kinder in schwierigen Lebenslagen unterstützen und tragen wollen und bisher noch nicht an die Möglichkeit „Pflegefamilie werden“ gedacht haben? …
Wie es gekommen ist, weiß ich gar nicht mehr genau (vielleicht haben uns die letzten 25 Jahre Mut gemacht?) aber irgendwann sind wir uns sicher: Wir wollen einen Film drehen (lassen)! Nicht irgendeinen seltsamen (Werbe-)Film, darüber sind wir uns schnell einig. Wir wollen einen Film, der „echt“ ist: Einen Film, der seinen Ausgangspunkt bei den Menschen und ihren Erfahrungen hat. Einen Film, der eine Geschichte erzählt, die nur erzählt werden kann, weil die Geschichten hinter der Geschichte Bedeutung erhalten und weil die Menschen hinter den Geschichten uns ihre Bilder für die Geschichte schenken. Klingt kompliziert? Man kann sich leichtere Ziele setzen … auch das merken wir schnell. Wir machen uns trotzdem auf den Weg – zusammen mit Menschen, die wissen wovon sie sprechen: Mit ehemaligen Pflegekindern, mit Pflegefamilien und mit einem Kameramann, der plötzlich so viel mehr sein wird, als ein Kameramann.
Geschichten für die Geschichte: Ehemalige Pflegekinder erzählen
Wie packen wir eine ganze Welt in zwei Minuten? All die Erfahrungen, Gefühle, Stimmungen? Mir ist seltsam. Wir haben heute unseren ersten Termin mit Herrn Schuchardt von kamermann24.
Wir berichten von unserer Idee, einen „besonderen“ Film drehen lassen zu wollen, einen Film, der die Geschichten ehemaliger Pflegekinder aufnimmt, ihre Erfahrungen in der Pflegefamilie sichtbar werden lässt und: der Mut macht. Ein Film mit intensiven Bildern soll entstehen – denn wir haben es mit intensiven Biographien zu tun, mit intensiven Leben und mit der intensiven Aufgabe „Pflegefamilie sein“. Wir skizzieren Hintergründe unserer Arbeit, erzählen von unserem (Leit-)Bild „Basisstation gesucht“ und zeigen natürlich auch die Postkarte … Wir haben Ideen im Kopf, aber wir haben noch nie eine Idee filmisch umgesetzt. Wir sind Anfänger – Herr Schuchardt nicht. Er ist dafür Anfänger bezüglich der Themen „Pflegefamilien“, „Pflegekinder“. Kann spannend werden, denke ich.
Pflegefamilien gesucht – Pflegekinder gefunden …
„Erste Hilfe“ für uns kommt von zwei Menschen, denen wir nicht genug danken können: Nadine und Thomas. Nadine und Thomas sind erwachsen. Und ehemalige Pflegekinder. Und großartig.
Beide erklären sich bereit, sich von uns, in der Vorbereitung des Films, interviewen zu lassen. Wir verabreden uns zu zwei getrennten Interviewterminen, bei denen wir nicht nur Fragen im Gepäck haben, sondern Herr Schuchhardt auch noch die Kamera aufbaut …
Es sind intensive Gespräche, die wir mit Nadine und Thomas führen. Wir sprechen über die Zeit in ihren leiblichen Familien, über schöne Momente und schlimme. Nadine und Thomas teilen mit uns ihre Erfahrungen. Erfahrungen, die ihnen als noch jungen Kindern schmerzlich eindeutig klar machen: Hier geht es im Moment nicht weiter. Miteinander geht es im Moment nicht weiter.
Wir werden mitgenommen auf ihre (langen) Wege hin zu den Pflegefamilien, bei denen sie schließlich erwachsen geworden sind. Nadine und Thomas lassen uns ihre Geschichten hören; sie erzählen uns wie es war, in einer „fremden“ Familie zu leben, Vertrauen zu fassen, zu lieben und zu streiten.
Wir haben einen Kloß im Hals, Tränen in den Augen, Gänsehaut … das, was Nadine und Thomas zu sagen haben ist ebenso schmerzlich wie ermutigend.
Herr Schuchardt ist jetzt kein Anfänger mehr bei den Themen Pflegekinder/Pflegefamilien.
Pflegefamilie werden: Ehemalige Pflegekinder machen Mut
„Ich wünsche mir, dass Menschen sich zutrauen, Pflegefamilie zu sein und Kindern zu helfen“, sagt Thomas. „Ich habe mir so sehr gewünscht in einer Familie zu leben, nicht länger im Heim.“
„Meine Pflegeeltern haben mir zugehört, mit mir gesprochen, Geduld gehabt und mich unterstützt. Sie wollten mich verstehen. Sie waren da, auch wenn es schwierig wurde. Und sie sind es immer noch“, sagt er auf die Frage, wodurch/womit ihm seine Pflegeeltern besonders geholfen haben.
„Zeit haben meine Pflegeeltern mir geschenkt und Halt – viel Halt. Sie haben an meiner Seite und mir zur Seite gestanden. Ich konnte mich auf sie verlassen. Und im Rückblick ist das, was damals genervt hat, so wertvoll. Hier in meiner Pflegefamilie bin ich zu einer selbständigen jungen Frau geworden“ sagt Nadine und schließt an: „Ich als Elternteil würde sein wollen wie meine Pflegeeltern.“
Pflegefamilien in Farbe: Wie aus Geschichten ein Drehbuch und ein Film wurde
Nadine und Thomas. Erinnerungen. Geschichten. Bilder.
Wir sind unbeschreiblich dankbar, dass ihr so offen mit uns gesprochen habt. Dass ihr unser Filmprojekt unterstützt. Dass ihr Menschen ermutigen wollt, Pflegeeltern zu werden. Und wir haben gehörigen Respekt. Vor euch, vor euren Erfahrungen. Wir wollen einen Film drehen, der euch und euren Lebensgeschichten gerecht wird. Ich weiß zwischendurch nicht recht, ob ich Angst vor meiner eigenen Courage bekommen soll.Wir schreiben ganze Whiteboards voll, entwickeln Bilder, verständigen uns über Stimmungen und Botschaften, die in eurem/unserem Film Platz haben sollen.
Herr Schuchardt ist Experte für die Möglichkeiten der filmischen Umsetzung. Wir sind immer noch Anfänger und deshalb ein wenig anstrengend. Und doch liegt am Ende die Idee für ein Drehbuch vor uns. Ein Drehbuch, das sich allerdings nur umsetzen lässt, wenn Menschen uns unterstützen, die wissen, wovon sie sprechen. Nadine und ihre Pflegeeltern werden sich erneut mit Herrn Schuchardt treffen. Alle drei werden „in Farbe“ in unserem Film „Basistation gesucht!“ zu sehen sein. Wie die drei es fanden, mit Teilen ihrer Geschichte vor der Kamera zu stehen, erzählen sie uns vielleicht bei der Uraufführung von „Basistation gesucht“. An jenem Tag, an dem wir die Menschen feiern werden, denen es gelungen ist, miteinander einen „langen Atem“ zu haben. 25 Jahre Geschäftsbereich „Erziehungsstellen“ sind mehr als 25 Jahre vergangene Zeit. Es sind 25 Jahre voller Glück, „dicker Luft“ und „langem Atem“. 25 Jahre voller Geschichten echter Menschen.
25 Jahre Pflegefamilien in Hessen: Wir drücken gemeinsam „Play“
Der Film „Basisstation gesucht“ ist wirklich fertig. Heute habe ich zu einem unserer Geschäftsbereichsleiter, zu Herrn Kasper, gesagt: „Jetzt muss er alleine laufen.“ Es fühlt sich seltsam an. Vielleicht, weil es so ein langer Weg hin zu diesem Film war. Dieser Film hat Nadine, Thomas und ihre Familien so sehr gebraucht: sie waren inspirierende, mutige, aufgeschlossene und engagierte „Geburtshelfer“. Erst mit ihnen hatten wir Geschichten, um eine Geschichte erzählen zu können. „Basisstation gesucht“ hat Herrn Schuchardt Fachkompetenz als Kameramann gebraucht und sein unbedingtes Engagement für die Geschichten hinter der Geschichte des Films. Herr Schuchardt war viel mehr als ein Kameramann! Und das Engagement seiner Familie war das Geschenk, das er uns – quasi im Vorübergehen – gemacht hat. Ein kleines Mädchen und ihre Familie haben den Film möglich gemacht – wer würde in unserem Film die Basisstation suchen, wenn diese Menschen nicht den Willen und die Ausdauer gehabt hätten, das Filmprojekt zu unterstützen.
Und sind wir ehrlich: Der Film „Basisstation gesucht“ hat 25 Jahre Geschäftsbereich „Erziehungsstellen“ gebraucht. All die Menschen, ihr Engagement, ihren Mut und ihre Geschichten. 25 Jahre Pflegefamilien im St. Elisabeth- Verein e. V. Wir sagen: DANKE! Und: „Play!“
Den Film können Sie auf dieser Seite ab Montag, den 24.09.2018 sehen. Wir freuen uns über Rückmeldungen.
Pflegefamilien gesucht … Wir laden Sie ein, mit uns Kontakt aufzunehmen. Hier ist der Link.
Autorin: Esther Schmitt