Im folgenden Beitrag können Sie etwas darüber erfahren, wie der Fachbereich Pflegefamilien Hessen vom St. Elisabeth-Verein e.V. in Marburg zur der Idee gekommen ist, einen Podcast Pflegefamilien Deutschland zu veröffentlichen.
Bertram Kasper (Geschäftsbereichsleiter Pflegefamilien Hessen) – als der Initiator des Podcastes – würde wohl folgendes dazu erzählen:
Podcast interessieren mich schon seit zehn Jahren. So lange höre ich ein paar ausgewählte, manchmal auch von den Inhalten wechselnde Podcasts. Und vor dem Hintergrund, dass viele Radiosender diese Format by the way anbieten und ich mir so mein eigenes Radioprogramm sozusagen selbst zusammenstellen kann, sind Podcast sehr attraktiv. Einer meiner Lieblingspodcasts ist z.B. „Das philosophische Radio“ auf WDR 5. Und dann gibt es seit ein paar Jahren den Trend, dass es immer mehr Menschen gibt, die Freude daran haben hochwertigen Inhalte zu Verfügung zu stellen. So ist eine richtige Podcasterszene entstanden mit allen Folgewirkungen, die damit verbunden sind: Vielfältige Podcasts, Buchveröffentlichungen zum Podcasten, unzählige Blogs etc.
Eigener Podcast „Zeitmanagement“
Meine ersten eigenen Produktionserfahrungen mit einem Podcast habe ich ebenfalls vor 10 Jahren bei einem Skiurlaub mit meiner Familien in Damüls gemacht. Damals konnte ich aufgrund einer Verletzung kein Skifahren und hatte dann tagsüber viel Zeit mich mit dem Thema zu beschäftigen. Einzige Aufgabe war es um die Mittagszeit meinen Lieben eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu zaubern.
Ich hatte zwei Bücher über Podcasten dabei, ein einfaches Aufnahmegerät, meinen Laptop mit audacity (ein opensource Schneideprogramm) und einige Ideen für Themen. Zeitmanagement ist es dann geworden, war ich doch zu dieser Zeit Geschäftsführer der GISA, einer gemeinnützigen Weiterbildungs-GmbH und Tochterunternehmen vom St. Elisabeth-Verein. Von dieser Zeit an wollte ich immer einen eigenen echten Podcast produzieren.
Woher kam dieser innere Antrieb?
Würde mich jemand dazu fragen, was denn mein Antrieb dafür ist, hätte ich eine ganz einfache Erklärung. Schon immer wollte ich irgendwie Spuren hinterlassen. Als Pubertierender fing es mit Gedichte schreiben an, später war es dann das Schreiben überhaupt, als Krönung ein Schreibseminar bei Bodo Kirchhoff (Träger des Deutschen Buchpreises) verbunden mit dem Wunsch selbst einen Roman zu schreiben. Heute schreibe ich an 3 Blogs regelmäßig und zwischendurch je nach Inspiration Gedichte oder immer noch an meinem Roman.
Durch Beziehung wirksam sein
Und als Dipl. Supervisor bin ich auch Entwicklungsbegleiter oder neudeutsch change agent von Menschen, die sich in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln wollen. Und auch für Pflegefamilien ist es mir eine Herzensangelegenheit Kontextbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen Entwicklungen auszulösen, die wirklich eine Verbesserung, eine Veränderung begünstigen. Und aus meiner Erfahrung stellt dabei die erlebte Beziehung zwischen den Menschen einen entscheidenen Faktor für das Gelingen dar. Dies ist auch wissenschaftlich durch verschiedene Studien im Bereich der Psychotherapie belegt.
Und das lässt sich nachvollziehbar auf das „Pflegefamilien sein“ übertragen. Setze ich mich als Pflegemutter oder Pflegevater in einen echte Beziehung zu dem Pflegekind, werde ich Spuren hinterlassen, manchmal gleich und manchmal erst Jahre später sichtbar. Doch ich bin ein wenig abgekommen. Es ging doch eigentlich um Podcasten und richtig um Spuren hinterlassen, also Spuren hinterlassen durch Beziehung. Und so schwenke ich jetzt ein wenig um auf die berufliche Ebene.
Mix aus Stärkung für Pflegefamilien und Pflegekindern
Der Podcast Pflegefamilien Deutschland gehört zu einer Gesamtstrategie für die Unterstützung von Pflegekindern und Pflegefamilien.
Wir wollen also echte Lobbyarbeit für diese wertvolle Lebensperspektive für jungen Menschen in Familien auf den Weg bringen. Dazu haben wir zusammen mit Pflegeeltern im März 2019 den „Förderverein zur Unterstützung von Pflegekindern Deutschland e.V.“ gegründet, der Spenden für Pflegekinder und deren nicht durch die öffentliche Hand finanzierten Bedarfe akquiriert.
Und wir haben eine Akademie für Pflegefamilien und deren Pflegekinder auf den Weg gebracht, die ab Januar 2020 bundesweit Fortbildungen und Qualifizierungen anbietet.
Podcast – das richtige Format
Und wir wollten ein leicht zu realisierendes und gerade gefragtes Format realisieren, um über das Leben in Pflegefamilien zu berichten. Also sozusagen einen „Radiosender“ von Pflegefamilien für Pflegefamilien. Fachliches, berührendes und spannendes soll dort einen Hörraum haben. Also ein echter Podcast Pflegefamilien Deutschland.
Natürlich verbinden wir damit auch den Wunsch Familien neugierig auf diese ganz besondere und sinnstiftende Lebensform machen. Ist es doch gerade für kleine Kinder besonders wichtig einen familiären Lebensort mit echten Beziehungen anzubieten. Wollen Sie einmal in einen unserer aktuelle Podcasts reinhören, in ein Interview mit zwei Pflegemüttern, die über ihr Leben in der jetzigen Coronakrisenzeit erzählen, dann klicken Sie auf diesen Link.
Unseren Podcast Pflegefamilien Deutschland
wird sich auch durch Ihre Anregungen weiterentwickeln. Wir freuen uns über Rückmeldungen, Themenvorschläge und wenn Sie uns helfen unseren Podcast weiter populär zu machen, sind wir Ihnen sehr dankbar.
Die ersten Rückmeldungen stimmen uns positiv und ermutigen uns. In der ersten Woche nach dem Start unseres Podcast Pflegefamilien Deutschland wurde er über 300 Mal angehört. Dieses tolle Ergebnis hätten wir nicht erwartet. Also…
Wollen Sie auch Pflegefamilie werden, dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf.
Und jetzt hätten wir fast das Wichtigste vergessen: Unseren Podcast Pflegefamilien Deutschland finden Sie unter folgendem Link: Pflegefamilien Akademie Podcast
So lautete in diesem Jahr das Motto, unter dem der Fachbereich Pflegefamilien seine Pflegemütter zum traditionellen Auszeit-Wochenende am letzten Wochenende im Januar einlud. In diesem Jahr folgten insgesamt 38 Frauen diesem Aufruf und begaben sich nach Bad Wildungen in das Hotel „Göbels Quellenhof“.
In Vorfreude und hoch motiviert, weil das Wochenende schon immer sehr vielseitig und begehrt ist, aber auch das Wissen darum, dass man (also hier „Frau“ :-)) von Freitag bis Sonntag einfach mal im Mittelpunkt steht und sich mit den anderen erholen, ausruhen und austauschen kann, darf und soll, lässt viele Pflegemütter die Einladungsschreiben, die immer zum Jahresende verschickt werden, voller Sehnsucht erwarten.
Ein kleines Steinchen rollte munter von einem hohen Berg herunter. Und als es durch den Schnee so rollte, ward es viel größer als es wollte. Da sprach der Stein mit stolzer Miene:
„Jetzt bin ich eine Schneelawine. ” Er riss im Rollen noch ein Haus und sieben große Bäume aus. Dann rollte er ins Meer hinein, und dort versank der kleine Stein.
(Ringelnatz)
Selbstverständlich
gibt es auch ein „Väterwochenende“, welches in der Regel im Frühsommer
stattfindet.
Erholen und Ausruhen kommt ja im Alltag mit den Pflegekindern häufig zu kurz.
Das Leben als Pflegefamilie ist wunderbar…
Die Arbeit und das Leben als Pflegefamilie ist
wunderbar, sinnstiftend, bereichernd und ausfüllend, aber natürlich auch nicht
selten anstrengend und manchmal kräftezehrend. Und Kreativität ist auch im
Leben einer Pflegefamilie ein absolutes Muss.
Das alles macht es unbedingt notwendig, sich auch
um sich selbst zu kümmern und auf eine gute Balance zwischen Anstrengung und
Erholung zu achten.
Wer im Alltag, das gilt für den normalen Arbeitsalltag, besonders aber auch beispielsweise für die hohen Anforderungen in der Pflegefamilie, stabil und gesund bleiben will, sollte für Gleichgewicht sorgen. So kommt das Auszeit Wochenende für Pflegemütter jedes Jahr wie gerufen.
Stress bleibt uns allen nicht erspart, …das ist
kaum möglich, er vergeht in der Regel auch wieder.
Stress ist auch per se nicht unbedingt (nur) schlecht,
er gibt uns unter Umständen auch die nötige Kraft, besonders schwierige Dinge
zu bewältigen oder besonders anspruchsvolle Aufgaben zu lösen. Sollte der
Stress allerdings dauerhaft verbleiben, ist mit gravierenden Folgen zu rechnen.
Dauerstress führt erwiesenermaßen zu erheblichen
gesundheitlichen Folgeschäden, zu Unzufriedenheit, zu Erschöpfung bis hin zum
totalen Ausbrennen. Wir nennen das dann allgemein Burnout, – dies sollte vermieden
werden.
Wer ausgebrannt und unglücklich ist, hat weniger
Lebensqualität und auch vermutlich weniger zu geben…fühlt sich kraftlos, müde
und erschöpft.
Das Auszeit Wochenende für Pflegemütter sollte und soll immer wieder unbedingt für Lebensfreude, Erholung, Gesundheit und Kraft sorgen. Mit diesem Ziel vor Augen plant der Fachbereich jährlich dieses Angebot.
Mit einem wie immer sehr überlegten und fein auf
das Thema abgestimmten Rahmenprogramm, hatte das Vorbereitungsteam in diesem
Jahr erneut eingeladen.
Steine ins Rollen bringen
Am Freitagabend wurde der „Stein ins Rollen
gebracht“, alles begann mit einer Kennen-lern-runde, bei der die Frauen
sich gegenseitig vorstellten und so auch in guten Kontakt mit ganz neuen
Teilnehmerinnen (Pflegemüttern) kamen.
Es wurde gemeinsam gelacht und gesungen, und es
fiel uns allen ein „Stein vom Herzen“, als der Kanon endlich saß. (…nein, es
war nicht das Lied „Marmor, Stein und Eisen bricht“:-)
Das Programm für das Auszeit Wochenende für Pflegemütter wurde vorgestellt, und da grundsätzlich alles auf Freiwilligkeit beruht und es den Frauen selbst überlassen bleibt, an welchen Angeboten sie teilnehmen möchten oder lieber nicht, war es also „nicht in Stein gemeißelt“, wie die Tage verlaufen würden.
Jede durfte und sollte gut für sich selbst sorgen,
was offensichtlich auch gelang.
Am Samstagvormittag gab es ein Kreativangebot „Kieselsteinkunst“.
Gemeinsam wurden wunderschöne Bilder aus Steinen
und etlichen anderen Materialien hergestellt.
Bildtext:
…unsere Kreativität kennt keine Grenzen
Hier waren der Kreativität keine Grenzen gesetzt,
und es war erstaunlich und bewegend, was mit einfachen Steinen so alles zum
Ausdruck gebracht werden kann. So schlicht und doch so kunstvoll in Szene
gesetzt entstanden eindrucksvolle Werke, die am Sonntag in einer kleinen „Vernissage“
bewundert wurden.
Es wurden auch Steine phantasievoll bemalt und Bilder auf Leinwänden gestaltet. Insgesamt eine äußerst meditative Tätigkeit, die sowohl kostengünstig als auch sehr gut mit Kindern umgesetzt werden kann.
Auf Wunsch einiger Pflegemütter fanden auch zwei Einheiten zum Thema Stressbewältigung statt. Während kleiner Entspannungsübungen mit Inhalten aus dem Autogenen Training, reisten wir in unserer Phantasie einmal zum Meer und ein anderes Mal in einen chinesischen Zen-Garten, was zusätzlich dabei half, gezielt in die Erholung zu gehen.
Samstagnachmittag ging es dann mit einigen
interessierten Müttern zum Lapidarium (Steinmuseum), um zu hören und zu sehen,
was es mit den regionalen Steinen so auf sich hat.
Das Lapidarium befindet sich unterhalb des
Schlosses Friedrichstein, es handelt sich um ein unterirdisches Gewölbe (sehr
kalt). Im Ausstellungsraum des Lapidariums kann man verschiedene Steinarten,
z.B. Grauwacken, Tonschiefer, Knollenkalk, Erze usw. aus der Region bestaunen.
Besonders interessant sind auch einige im Stein eingeschlossene Fossilien.
Die Führung durchs Steine-Museum wurde mit einer süßen
und einer wärmenden Überraschung abgerundet.
Unsere Stadtführerin Frau Hüller hatte mit so viel
Liebe und Leidenschaft unseren Besuch gestaltet, selbstgebackenen Apfelkuchen
serviert und so viel Freude an ihrem Auftrag und überhaupt ausgestrahlt, dass
wir alle beeindruckt und von ihrer Ausstrahlung angesteckt, ganz berührt und
erfüllt zurück ins Hotel gingen.
Das war wirklich eine ganz besondere Begegnung und
wurde sowohl auf dem Rückweg bei guten Gesprächen als auch bei der
Abschlussrunde nochmals explizit wertgeschätzt.
Der Samstagabend:
Am Abend gab es wie immer gemütliches Beisammensein
in der Bar mit Gesprächen und guter Laune. Es wurde sogar ein Promi entdeckt. Dominic
Raacke, allen vermutlich besser bekannt als Tatort-Kommissar Till Ritter, vom LKA
Berlin, war vor Ort…wie sich später herausstellen sollte gastierte er am
Wochenende im Theater (Wandelhalle) in Bad Wildungen, mit einem Stück namens: „Die
Niere“ (hoffentlich OHNE Steine :- ).
Manche Mütter hatten einen so „kreativen Schub“,
dass sie bis spät in die Nacht hinein weiter an ihren Kunstwerken arbeiteten
und darüber die Zeit vergaßen.
Es folgte wie in jedem Jahr unvorstellbar schnell
und leider unabänderbar, der Sonntag, – der ungeliebte Abreisetag -.
Während der Abschlussrunde mit Besuch der Geschäftsbereichsleitung,
wurde das Mütterwochenende nochmal zurückerinnert und wertgeschätzt. Einige
neue Pflegemütter berichteten von guten, neuen Kontakten, die sie schließen konnten
und dem guten Gefühl, Teil einer Gruppe geworden zu sein.
Wie immer gab es viele schöne und auch motivierende Rückmeldungen zum Auszeit Wochenende für Pflegemütter, die sich alle bedankten. Hier ein paar der Stimmen zitiert:
„…so viel gelacht wie hier habe
ich schon lange nicht mehr…“
„…wie einfach es ist, in Kontakt
mit anderen zu kommen hat mich sehr berührt“
…ich dachte zunächst, ich kann gar
nicht loslassen, aber das ging schnell…“
„…ich war sehr angestrengt, jetzt
bin ich tiefenentspannt…“
„…in der Gruppe gab es so viel positive
Resonanz…“
„…ich bin so dankbar…“
„…hier gab es so viel Vielklang,
ja Gleichklang und keinen Missklang, das habe ich sehr genossen…“
„…Danke fürs „Steine schleppen…“
Die Abschlussrunde endete mit Kurzberichten über Neuigkeiten aus dem Verein und aus dem Fachbereich Pflegefamilien, von Bertram Kasper und der Möglichkeit, Fragen an die Leitung zu richten und ins Gespräch zu gehen.
Nach einem letzten kleinen Mittags-Imbiss konnten
alle gestärkt und gut gelaunt die Heimreise zu den Lieben antreten, die ja auch
bestimmt sehnsüchtig auf die Mütter warteten.
Uns bleibt die Hoffnung und der Wunsch, dass alle,
die am Wochenende Erholung, Stärkung und Freude erfahren haben und hoffentlich ein
paar ihrer „schweren Steine“ ablegen und in Bad Wildungen lassen konnten,
dieses Gefühl auch lange in sich bewahren können und im Alltag immer wieder als
Kraftquelle erinnern und abrufen können.
Wenn dies gelungen ist, haben wir unser Ziel
erreicht.
Für das Vorbereitungsteam: Bettina Simon-Schönau, Martina von Keitz, Petra Plag-Zimmermann, Steffi Fuchs, Jutta Fromm-Visosky.
Nach Weihnachten ist bekanntlich vor Weihnachten. Deshalb möchten wir heute gerne etwas über eine Idee, die uns Frau Julia Seibert, eine Pflegemutter bei Pflegefamilien Hessen aufgeschrieben und geschickt hat. Sie hilft die Weihnachtszeit mit Pflegekindern vielleicht einmal anders zu gestallten. So haben Sie genug Zeit, diese Anregung für die nächste Weihnachtzeit umzusetzen.
Warme Dusche im Advent
Es ist der 30. November 2019. Ich bin in den letzten Zügen meiner Vorbereitungen für die Adventskalender meiner drei Töchter.
Dieses Jahr stand schon früh fest, dass es kein materieller Kalender sein würde, sondern ein „Warme Dusche“ – Kalender.
Inspiriert wurde ich dabei durch die Klassenlehrerin meiner ältesten Tochter. In regelmäßigen Abständen bekommen die Kinder in der Schule eine „warme Dusche“. Die Klasse setzt sich hierfür in einen Stuhlkreis. Ein Kind darf in die Mitte. Reihum sagt dann jedes Kind einen netten Satz zu dem Kind in der Mitte, macht ihm ein Kompliment. Meine Tochter liebt diese Momente!
Mir hat der Gedanke gut gefallen, dies in Form eines Adventskalenders für unsere Familie umzuwandeln. Mit Stift und Block bewaffnet bin ich von Familienmitglied zu Familienmitglied gegangen und habe notiert, was jedem so an schönen und wohltuenden Worten für die Schwestern, den Papa, die Mama, die Töchter alles eingefallen ist. Jeden Tag im Dezember wird nun ein Kompliment für jeden auf dem Frühstücksteller liegen.
Ich war berührt, wieviel dabei zusammen gekommen ist, toll!
Es hat mich sehr berührt, wieviel dabei zusammen gekommen ist und wie bewusst jeder seine Worte für den Anderen formuliert hat.
Nun sitze ich hier und habe mir alles noch einmal durchgelesen und durch meine eigenen wertschätzenden Gedanken für meine Töchter ergänzt.
Und wie ich das alles hier so vor Augen habe kommt mir folgendes in den Sinn: Erst letzten Monat wurde ich beim Erstgespräch für die Ergotherapie einer meiner Töchter gebeten die Stärken meines Kindes zu benennen.
Ich habe einiges aufgezählt und die Therapeutin war ganz begeistert. Sie meinte zu mir:
„Es kommt häufig vor, dass Eltern hier sitzen und lange nachdenken müssen bis ihnen etwas einfällt und manche sagen direkt, dass ihnen dazu nichts einfallen würde“.
Es macht mich sehr betroffen! Ich frage mich, was diese Kinder wohl für ein Bild von sich selbst haben werden.
Ich denke wieder an die Lehrerin meiner Tochter. Wie wunderbar, dass es solche Menschen gibt. Es gelingt ihr in jedem etwas Kostbares und Gutes zu entdecken und die anderen zu sensibilisieren, ebenfalls genau hin zuschauen.
Dann reiht sich fast wie von selbst ein warmer Strahl an den anderen!
Und wenn man erst einmal mit der warmen Dusche angefangen hat, dann reiht sich oft ein warmer Strahl an den anderen.
„Was hast Du schöne Augen!“ „Wow, kannst Du toll singen!“ „Du rennst so schnell wie eine Rakete!“ „Deine Bilder sind so kreativ und die Farben die du ausgesucht hast machen mich richtig fröhlich!“ „Danke, für Deine Umarmung. Die hat mir sehr gut getan!“
Es ist ein wahres Vergnügen zu erleben wie sich ein Leuchten auf dem Gesicht des Gegenübers ausbreitet!
Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen dass ich selbst zu Leuchten beginne wenn plötzlich der Wasserstrahl auf mich selbst gerichtet wird. „Mama, du duftest so gut wie eine Blume!“
Für uns war die Adventszeit eine echte Warme Duschen Zeit und hat uns sehr bereichert. Vielleicht bekommt der eine oder andere ja Lust die warme Dusche auch in seiner Familie auf seine Art umzusetzen. A
Herzlichen Dank an Julia Seibert vom Team Pflegefamilien Hessen.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Wir haben im März 2019 einen Förderverein zur Unterstützung für Pflegekinder Deutschland e.V. gegründet. Wenn auch Sie Fördermitglied werden wollen, dann finden Sie weitere Informationen unter Förderverein Pflegekinder Deutschland.
Ich selbst war als Pflegemutter auch Gründungsmitglied, weil wir immer häufiger erleben, das Pflegekinder neben der öffentlichen Unterstützung auch weitere Hilfen, vor allem auch in finanzieller Weise benötigen.
von Jana Bamberger, Master Studierende im Bereich „Soziologie und Sozialforschung“ an der Universität Marburg
Jeden Tag zur Arbeit gehen und trotzdem nichts in der Tasche haben – für zahlreiche Pflege- und Heimkinder ist dies bittere Realität. Während andere Jugendliche jobben gehen, um sich Geld für den Führerschein, Kinobesuche oder ein neues Handy zusammenzusparen, müssen sie 75% ihres Einkommens an das Jugendamt abgeben. Oftmals bleibt dann nur ein umgerechneter Stundenlohn von 2,75 € übrig.
„Ich sehe auf
dem Konto die ganze Zeit null, null, null“
Grund für die Abgaben ist, dass Pflegeeltern, welche
Pflegekinder in ihre Familie aufnehmen, finanzielle Unterstützung in Form von
Pflegegeld durch das Jugendamt erhalten. Je nach Alter des Pflegekindes liegt
dieser Betrag zwischen 508,00 € und 676,00 € monatlich. Hinzu kommt ein Erziehungsbeitrag
von weiteren 237,00 € pro Monat. Bei Pflegekindern, die Geld verdienen, möchte
sich der Staat dieses Geld zurückholen und langt ordentlich zu. So müssen
nahezu alle Kinder, die in Deutschland in einer Pflegeeinrichtung oder
Pflegefamilie leben, 75% ihres Einkommens abgeben – unabhängig davon, ob sie
arbeiten, einen
Nebenjob haben, eine Ausbildung machen oder einen Bundesfreiwilligendienst oder
ein FSJ absolvieren.
Gesetzliche Grundlage ist gegeben
Im achten Sozialgesetzbuch in Paragraf 94 wird
hierzu geregelt, „dass junge Menschen und Leistungsberechtigte bei
‚vollstationären Leistungen‘ insgesamt ‚75% ihres Einkommens als Kostenbeitrag
einzusetzen‘ haben.“ (Ustorf 2018) Von dieser Regelung sind in Deutschland
derzeit etwa 142.000 Heimkinder und 90.000 Pflegekinder betroffen.
Wenn diese jugendlichen Pflegekinder also in einem Café jobben, Zeitungen austragen oder im Supermarkt Konserven in Regale räumen, um ihr Taschengeld aufzubessern oder für den Führerschein zu sparen, gehen drei Viertel ihres Einkommens direkt an das Jugendamt. Auch bei einer Ausbildung müssen sie 75% ihres Gehaltes abgeben, wenn sie noch bei ihren Pflegeeltern wohnen. Pflegekinder werden zur Kasse gebeten.
„Ja, was haben wir denn getan, dass wir 75 Prozent abgeben müssen? Ich verstehe es nicht. Ich sehe einfach auf dem Konto die ganze Zeit null, null, null. Klar, bisschen kommt ja, ich will nicht sagen, dass da nichts kommt, aber dann geht die Motivation weg.“
(Serkan in Grüter 2019)
„Was kann ich
denn dafür, dass ich ein Pflegekind bin?“
Die 75%-Klausel wird von den Kindern und Jugendlichen als ungerecht empfunden und kann darüber hinaus das Gefühl „nicht-richtig-zur-Familie- dazuzugehören“ enorm verstärken. Zudem bremst die Regelung Jugendliche in ihrem Weg in die Selbstständigkeit aus und erschwert die Vermittlung, dass sich harte Arbeit lohnt. Pflegekinder werden zur Kasse gebeten, wer soll ihnen diese Praxis erklären?
Die folgenden Zitate drücken das ganze Unverständnis der Betroffenen aus
„Alle meine Freunde jobben, um sich was dazuzuverdienen. Keiner von ihnen muss seinen Eltern etwas abgeben. Aber ich soll jetzt beim Amt für meine eigenen Kosten aufkommen. Was kann ich denn dafür, dass ich ein Pflegekind bin?“
(Felix Warnke in Ustorf 2018)
„Es ist doch ein Zeichen von Reife und Verantwortungsbewusstsein, wenn sich ein Kind einen Job sucht, um eigene Bedürfnisse selbst erfüllen zu können. Stattdessen muss Felix nun dafür haften, dass seine leiblichen Eltern nicht in der Lage sind, sich um ihn zu kümmern. Damit ist er doppelt benachteiligt, auch gegenüber seinen Geschwisterkindern.“
(Andrea Wagner (Felix Pflegemutter) in Ustorf 2018)
Viele Pflegekinder können auf diese Weise kaum Motivation aufbringen eine Arbeit zu suchen oder brechen ihren Job wieder ab, wenn sie erfahren: Pflegekinder werden zur Kasse gebeten und das gleich mit 75%.
„Man gibt den jungen Menschen das Gefühl, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten. So erzieht man weitere Sozialhilfeempfänger.“
(Kirsten Willruth in Seitler 2018)
Einige Kinder gehen sogar in ihre Herkunftsfamilien
zurück, nur um ihr Gehalt vollständig behalten zu können.
„Neulich ist ein junger Mann zurück zu seiner alkoholkranken Mutter gezogen, damit er sein Ausbildungsgehalt vollständig behalten darf.“
(Carmen Regglin in Ustorf 2018)
Eine große Problematik der 75%-Klausel ist zudem, dass Careleaver für ihre ersten eigenen vier Wände nur selten finanzielle Rücklagen bilden können, wodurch ihnen der Übergang in das Erwachsenenalter stark erschwert wird. Damit wird auch das Engagement der Pflegefamilien indirekt in Frage gestellt. Pflegekinder werden zu Kasse gebeten, es macht einfach keinen wirklichen Sinn.
Antrag auf
Befreiung der Kostenheranziehung
Eine Möglichkeit, um sich von der Kostenheranziehung teilweise oder sogar ganz befreien zu lassen, besteht darin einen Antrag beim Jugendamt einzureichen, in welchem ein ausführlich begründeter Widerspruch eingelegt wird. Ein derartiger Antrag kann erfolgreich sein, wenn die Tätigkeit dem Ziel der persönlichen Weiterentwicklung und somit dem „Zweck der Jugendhilfe“ (Ustorf 2018) dient.
Hierunter fällt beispielsweise das Sparen für einen Führerschein. Darüber hinaus kann eine Befreiung erfolgen, wenn bei der ausgeübten Tätigkeit das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund steht, wie beispielsweise bei einem FSJ oder dem Bundesfreiwilligendienst.
Beratung suchen
Grundsätzlich ist es jedoch die Entscheidung der zuständigen Jugendamtsfachkraft, ob und inwieweit auf die Anrechnung des Einkommens verzichtet wird. Es empfiehlt sich daher die Pflegefamilienberatung zur Hilfe heranzuziehen, da sich diese mit Einzelheiten der gesetzlichen Bestimmung auskennt und bei der inhaltlichen Begründung des Antrags helfen kann. Ebenfalls gibt es in einigen Bundesländern Ombudsstellen.
Obwohl ein derartiger Antrag das gute Recht jedes
Pflegekindes ist, müssen viele Pflegekinder dazu ermutigt werden, einen Antrag
zu stellen, da ihr Selbstwertgefühl oftmals angeschlagen und die Angst vor
einer Zurückweisung groß ist. Zudem ist die Möglichkeit eine
Befreiung/Reduzierung der Kostenheranziehung zu beantragen, vielen Jugendlichen
und auch einigen pädagogischen Fachkräften oftmals gar nicht bekannt.
Visionen
Seit Jahren wird im deutschen Bundestag über eine
Verbesserung der Gesetzeslage debattiert. Während sich einige Parteien für eine
komplette Abschaffung der Kostenbeteiligung einsetzen, halten andere an der
Kostenheranziehung fest.
Im Jahr 2017 erließ der Bundestag im Kinder- und
Jugendstärkungsgesetz eine Regelung, laut welcher Pflegekinder nur noch maximal
die Hälfte ihres Einkommens abgeben müssen. Diese Regelung erfuhr vom Bundesrat
bisher jedoch keine Zustimmung und wird vermutlich auch in naher Zukunft nicht
durchgesetzt werden.
Für die Zukunft besteht demnach noch ein großer
Handlungsbedarf im Bereich der Rechtslage. Es müssen Maßnahmen erschaffen
werden, die der enormen Einkommensabgabe von Pflegekindern entgegenwirken, da
diese ein Zugehörigkeitsgefühl nahezu
unmöglich macht. Durch Abgaben von 75% des Verdienstes wird die Motivation von
Pflegekindern in höchstem Maße gehemmt und eine positive Entwicklung der Kinder
und Jugendlichen eher beeinträchtigt statt gefördert.
von Jana Bamberger, Master Studierende im Bereich „Soziologie und Sozialforschung“ an der Universität Marburg
Pflegekinder in Regenbogenfamilien ist nach wie vor noch ein kontroverses Thema. Der folgende Beitrag von Jana Bamberger will dazu beitragen Vorurteile zu relativieren und beschreibt vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung die Chancen für Regenbogenfamilien und Pflegekinder in anschaulicher und differenzierter Weise. Herzlichen Dank dafür.
„Lesben und Schwule müssen bei der Vermittlung von Pflegekindern gleich behandelt werden, denn sie können genau so gute Eltern sein wie heterosexuelle Menschen. Leider zeigt die Erfahrung vieler Homosexueller, dass ‚klassische‘ Familienverhältnisse oft für stabiler gehalten werden als die lesbischer oder schwuler Paare. Das ist haltlos und diskriminierend.“ (Mielchen 2016)
„‚Ehe für
alle‘ heißt nicht ‚Elternschaft für alle‘“
Trotz zahlreicher Reformen und Maßnahmen zur Gleichberechtigung von homosexuellen Personen haben gleichgeschlechtliche Paare noch immer mit zahlreichen Hindernissen im Bereich der Familienplanung und dem Familienalltag zu kämpfen. Denn obwohl die allgemeine Toleranz gegenüber schwulen Männern und lesbischen Frauen in den letzten Jahrzehnten spürbar gestiegen ist, wird der gleichgeschlechtlichen Elternschaft weiterhin eher kritisch und ablehnend gegenübergestanden.
Das Konzept der gleichgeschlechtlichen Elternschaft scheint für viele heterosexuelle Personen nur schwer mit bestehenden traditionellen Vorstellungen von Familie vereinbar zu sein. Darüber hinaus sehen sich homosexuelle Paare oftmals mit zahlreichen Vorurteilen und Klischees gegenüber ihrer Familienform konfrontiert, welche ihnen u.a. eine angemessene Erziehungsfähigkeit absprechen. So war bei einer Umfrage im Jahr 2017 beispielsweise jede/r fünfte Befragte der Überzeugung, dass homosexuelle Paare Kinder schlechter erziehen als heterosexuelle Paare.
Doch nicht nur seitens der Gesellschaft lassen sich
Stigmatisierungen und Diskriminierungen homosexueller Personen feststellen,
auch im Rahmen der deutschen Rechtsgrundlage bestehen trotz zahlreicher
Reformen noch immer Ungleichbehandlungen homosexueller gegenüber
heterosexuellen Paaren.
Was ist
überhaupt eine Regenbogenfamilie?
In der heutigen Gesellschaft wird das traditionelle
Familienbild „Mutter, Vater, Kind“ von immer mehr unkonventionellen Modellen
abgelöst. Neben mittlerweile weit verbreiteten Modellen wie Stieffamilien,
Patchworkfamilien, und Alleinerziehenden existieren sogenannte
„Regenbogenfamilien“, welche ebenfalls eine eigene Familienform darstellen.
Hierbei gibt es jedoch verschiedene Möglichkeiten in einer derartigen Familienform zusammenzuleben, wodurch auch unterschiedliche Definitionen des Begriffes existieren. Grundsätzlich wird unter einer Regenbogenfamilie eine Familie verstanden, welche sich aus zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zusammensetzt, die mit mindestens einem Kind zusammenleben und dieses gemeinsam großziehen.
Regenbogenfamilien können hierbei die Form einer Adoptiv- oder Pflegefamilie annehmen oder eine Familie sein, bei welcher Kinder aus einer vorangegangen heterosexuellen Partnerschaft oder einer Leihmutterschaft stammen oder mittels einer künstlichen Befruchtung in eine aktuelle lesbische Beziehung hineingeboren wurden.
In Debatten um gleichgeschlechtliche Elternschaft wird sich hierbei, sowohl politisch als auch medial, sehr oft ausschließlich auf Adoptionen fokussiert, während Pflegekinderverhältnisse außer Acht gelassen werden. An dieser Lücke gilt es dringend anzuknüpfen.
Adoptivkind
oder Pflegekind?
Sowohl bei lesbischen, als auch bei schwulen Paaren,
die über Kinder verfügen, stammen die meisten dieser Kinder aus vorhergehenden
heterosexuellen Beziehungen oder wurden direkt in die gleichgeschlechtliche
Familie hineingeboren. Nur etwa 6% der Kinder aus Regenbogenfamilien wurden als
Pflegekind übernommen und lediglich knapp 2% kamen durch eine Adoption –
zumeist eine Auslandsadoption – in ihre Familie. Daran wird deutlich, dass die
Übernahme von Pflege- und Adoptivkindern für homosexuelle Paare noch immer mit
einigen Schwierigkeiten verbunden ist.
Der wesentliche Unterschied zwischen Pflegekindern und Adoptivkindern besteht darin, dass ein Adoptivkind formal und gesetzlich alleiniges Kind der neuen Eltern wird, während ein Pflegekind formal und gesetzlich das alleinige Kind der leiblichen Eltern bleibt. Zudem haben Pflegekinder in ihren Herkunftsfamilien oftmals belastende und teilweise sogar traumatisierende Erfahrungen gemacht, bei deren Bewältigung die Pflegeeltern Unterstützung bieten müssen.
Die Herkunft des Kindes hat meist einen festen Platz in dessen Leben, wodurch der Kontakt zu leiblichen Eltern oder anderen Mitgliedern der Herkunftsfamilie aufrechterhalten wird und das Kind lernt mit zwei Familien aufzuwachsen – seiner Ursprungs- und seiner Pflegefamilie. Das Pflegeverhältnis kann hierbei zeitlich begrenzt sein, wenn eine Rückkehr des Kindes in seine Ursprungsfamilie sinnvoll erscheint. Insgesamt stellen Dauerpflegen, d.h. Pflegschaften bis zur Verselbstständigung mit 18 Jahren und meist darüber hinaus, jedoch eine weit verbreitet Praxis dar, wodurch viele Pflegekinder letztendlich bei ihren Pflegeeltern groß werden können.
Diese nehmen das Kind gemeinsam auf, wodurch keine
biologischen und
rechtlichen Ungleichgewichtungen auftreten und die Pflegschaft zum emotionalen
Projekt beider wird. Des Weiteren werden Pflegeeltern durch den Pflegekinderdienst
betreut und unterstützt und erhalten darüber hinaus auch finanzielle
Unterstützungsleistungen in Form von Pflegegeld.
Vorurteile und
Diskriminierungen
Gegner von Regenbogenfamilien argumentieren jedoch oft, dass homosexuelle Paare keine Kinder großziehen sollten, da diesen das gegengeschlechtliche Elternteil fehle. Dies wirke sich negativ auf verschiedene Entwicklungsprozesse, wie die allgemeine Identitätsbildung oder die zu entwickelnde Geschlechtsidentität aus. So wird u.a. behauptet, dass Kindern, welche bei zwei Vätern aufwachsen, die Fürsorge, Sicherheit und Pflege fehle, welche nur eine Mutter bereitstellen könne. Zudem wird angenommen, dass Töchter, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, aufgrund ‚falscher‘ oder fehlender Rollenmodelle zu männlich und Söhne zu weiblich werden. Es wird argumentiert, dass Jungen einen Vater bräuchten, um eine angemessene männliche Identität zu entwickeln und ein Vater auch für Mädchen unabdingbar sei, damit diese eine „heterosexuelle Feminität entwickeln und heteronormative Erwartungen an zukünftige Paarbeziehungen zu Männern bilden könnten.“ (Scholz 2017: 22)
Ein weiteres Vorurteil gegenüber Regenbogenfamilien
besteht darin, dass die Kinder von schwulen und lesbischen Paaren selbst
homosexuell werden würden. Zudem wird angenommen, dass Kinder aus
Regenbogenfamilien verstärkt diskriminiert werden, da die Gesellschaft noch
nicht reif für derartige Familienformen sei. Aus diesem Grund würden sich
Kinder von homosexuellen Eltern häufig von Gleichaltrigen zurückziehen und sich
sozial isolieren. Verstärkte Diskriminierungserfahrungen und Hänseleien zögen wiederum
eine Beeinträchtigung in der Entwicklung der Kinder mit sich.
Sind
homosexuelle Paare Eltern zweiter Klasse?
Stimmen diese Vorurteile tatsächlich und lassen sich homosexuelle Paare als Eltern zweiter Klasse abstempeln und sind Pflegekinder in Regenbogenfamilien ausgeschlossen?
Nein. Zahlreiche Studien kamen zu dem Ergebnis, dass
Lesben und Schwule Kinder ebenso „gut“ erziehen können wie heterosexuelle
Mütter und Väter. Ein Großteil der Untersuchungen ergab, dass schwule Väter und
lesbische Mütter über eine angemessene Erziehungsfähigkeit verfügen und ihre
Kinder eine gelungene emotionale, soziale und sexuelle Entwicklung vollziehen. Zwar
unterscheiden sich homosexuelle Eltern in einigen Aspekten des
Erziehungsverhaltens durchaus von heterosexuellen, die Unterschiede scheinen
dem Wohlbefinden der Kinder jedoch in keiner Weise zu schaden. Es konnte ermittelt werden,
dass die Prozesse innerhalb einer Familie, wie beispielsweise die Qualität der
Beziehungen, einen deutlich größeren Einfluss auf die kindliche Entwicklung
haben als die Struktur der Familie.
Ein wesentlicher Unterschied im Familienalltag zeigt
sich lediglich darin, dass anfallende Erziehungs- und Versorgungsaufgaben in
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oftmals egalitärer und flexibler geteilt
werden als in heterosexuellen Beziehungen. Durch eine egalitäre Verteilung von
Aufgaben steigt zumeist auch die Partnerschaftszufriedenheit, was sich wiederum
positiv auf die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Kinder auswirkt.
Zudem konnte festgestellt werden, dass sowohl
lesbische, als auch schwule Paare grundsätzlich einen großen Wert darauf legen,
dass ihre Kinder regelmäßigen Kontakt zu Personen des anderen Geschlechts
haben. Dies erscheint insofern wichtig, da Kinder zum Aufbau eines adäquaten
geschlechtstypischen Rollenverhaltes Modelle beider Geschlechter in ihrem
Lebensumfeld benötigen – dies müssen aber nicht zwingend Mutter und Vater sein.
Bezüglich der sozialen und emotionalen Entwicklung
der Kinder existieren unterschiedliche Ergebnisse. Manche Studien konnten
keinerlei Unterschiede zwischen Kindern homosexueller Paare und Kindern
heterosexueller Paare feststellen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Kinder aus
homosexuellen Familienkonstellationen genauso gut sozial integriert sind wie
Kinder heterosexueller Eltern und einen ebenso hohen Selbstwert aufweisen.
Hierbei konnte
festgestellt werden, dass Kinder umso weniger diskriminiert werden, je offener
sie, ihre Eltern, Freund/innen und andere Familienmitglieder mit der Lebensform
ihrer Familie umgehen.
Obwohl zahlreiche Studien zu dem Ergebnis kommen, dass sich Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern ebenso „gut“ entwickeln wie Kinder aus Familien mit gegengeschlechtlichen Eltern, existieren noch immer einige Bedenken und Einwände bezüglich homosexueller Elternschaft, welche es dringend zu überwinden gilt. Wir wollen als Fachbereich Pflegefamilien weiterhin mit dazubeitragen, dass Pflegekinder in Regenbogenfamilien auch einen Lebensort finden können.
Warum Pflegekinder in Regenbogenfamilien besonders gut aufgehoben sind?
Insgesamt gibt es einige Argumente, die für die
Aufnahme von Pflegekindern in Regenbogenfamilien sprechen. So weisen gleichgeschlechtliche
Elternpaare grundsätzlich eine besonders hohe Motivation und große
Entschiedenheit für ein Leben mit Kindern auf. Denn viel wichtiger als die
Frage der Leiblichkeit, ist ihnen Elternschaft und Familie gemeinsam leben zu
können. Sie entscheiden sich ganz bewusst für Pflegekinder, wodurch diese keine
Kinder „zweiter Wahl“ sind.
Darüber hinaus verfügen homosexuelle Personen über eine große Erfahrung in der Bewältigung ungewöhnlicher Lebenssituationen und sind dadurch in besonderem Maße dazu fähig, sich in ein Kind einzufühlen, das anders leben muss als andere Kinder. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen können sie mit Abweichungen besonders sensibel umgehen.
In der Abweichung von „normalen“ Familienmodellen können Pflegekinder in Regenbogenfamilien zudem ein Vorbild sehen, ihr eigenes Leben selbstbestimmt und zufrieden zu gestalten – trotz ungewöhnlicher Familienbiographie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass besondere Familien besondere Chancen und Ressourcen bieten. Indem unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Familienmodellen angeworben werden, können die Chancen auf mögliche Passungen für Pflegekinder erhöht werden, wodurch die Pflegekinderhilfe von der Hinzunahme unkonventioneller Familienmodelle profitieren kann. Wir denken es ist deutlich geworden, dass Pflegekinder in Regenbogenfamilien einen wertvollen Ort für ihre Entwicklung finden können.
Möchten Sie als Regenbogenfamilie mit Pflegekindern leben?
Dann nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf. Wir freuen uns auf Sie? Hier der Link!
Quellen
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Analyse zum Forschungsstand. Düsseldorf: Allbro.
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Abruf am 16.09.2019.
MDR (2018): „Ehe für alle“ heißt nicht „Elternschaft
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https://www.mdr.de/nachrichten/ratgeber/bgh-urteil-adoption-verheiratete-homosexuelle-100.html,
Abruf am 16.09.2019.
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Abruf am 16.09.2019.
Die Pubertät bei Pflegekindern kann sich intensiv auf das gesamte Familienleben auswirken. Das wissen auch die Pflegeeltern Claudia und Georg Beer, die mit ihrem Pflegesohn in Hessen leben. Von Pamela Premm
Als Claudia und Georg
Beer ihren Pflegesohn zum ersten Mal sehen, wollen sie ihn am liebsten sofort
mitnehmen. Sein gewinnendes Wesen, seine herzliche und kommunikative Art
bezaubert alle Familienmitglieder. Selbst die leibliche Tochter, die zu diesem
Zeitpunkt zehn Jahre alt ist, zeigt sich entzückt vom Dreieinhalbjährigen. Sie
entscheiden sich, Colin bei sich aufzunehmen. Doch bald merkt die Familie, dass
alles anders kommen wird als geplant.
Colin nimmt Raum ein
Schon die
Übergangsfamilie hatte angedeutet, dass Colin kein einfaches Wesen hat. Oft wird
er aggressiv. Die Familie will sich allerdings erst einmal selbst ein Bild von
ihm machen. „Er kann sich gut verkaufen und hat uns sofort für sich eingenommen“,
sagt die gelernte Kinderkrankenschwester über ihren Pflegesohn. „Über Nacht
haben wir uns für Colin entschieden.“ Die zukünftige Pflegefamilie schickt ihm
ein Buch mit Fotos von seinem neuen Zuhause. Die Tochter freut sich auf ihren
kleinen Bruder. Doch schon in der Anfangszeit zeigt sich das wahre Päckchen,
das Colin mit sich herumschleppt. „Kaum bei uns eingezogen, nahm er viel Raum
ein. Er benötigte unglaublich viel Zuwendung und wollte immer und überall dabei
sein“, sagt Pflegevater Georg heute. Für Tochter Lisa keine einfache Zeit. „Sie
fühlte sich zurückgedrängt.“ Die Pflegeeltern versuchen ihm den Raum zu geben,
sprechen viel mit der Tochter und erklären ihr die Gründe für sein Verhalten.
Mit der Aufgabe wachsen
Zu diesem Zeitpunkt
wusste die Familie noch nicht, welch steiniger Weg vor ihr liegen würde. „Wir
haben ihm den Raum gegeben, wir wussten, dass er großen Nachholbedarf hatte.
Aber es kostete viel Zeit, bis er seinen Platz in der Familie gefunden hatte“,
erklärt der Pflegevater. Fortbildungen und Superversionen helfen der Familie,
sich der neuen Aufgabe zu stellen und die Hintergründe besser zu verstehen. „Im
Vorfeld haben wir viele Gespräche mit dem St. Elisabeth-Verein geführt und uns
Gedanken gemacht, wie es mit einem Pflegekind sein wird. Allerdings fühlt es
sich in der konkreten Situation anders an. Die persönliche Bindung verändert die
Perspektive. Emotionen kommen hinzu. Letztendlich kann man nur in die Aufgabe
hineinwachsen“, sagt der gelernte Erzieher.
Mit der Pubertät gerät
das Familienleben ins Wanken
Mit Beginn der Pubertät intensivieren sich Colins Verhaltensweisen. Es beginnt ein Wechselbad der Gefühle. Wie häufig in der Pubertät bei Pflegekindern wechseln sich gute Entwicklungsfortschritte mit schwierigen Momenten ab. In der Schule wird Colin auffällig. Absprachen kann er nicht einhalten, Regeln nicht akzeptieren. Schon als kleines Kind handelt er oft selbst bestimmt. Doch jetzt überschreitet er zunehmend Grenzen. „Zu Hause gab es ständig Zoff, wir fühlten uns überfordert“, sagt die Pflegemutter. Typische Konfliktfelder tun sich auf: der Medienkonsum, das Annehmen von Regeln für ein gemeinschaftliches Zusammenleben. Nur, dass mit Colin alles viel extremer ist.
„Wir wussten nicht, ob wir ihm vertrauen können. Lügt er, sagt er die Wahrheit? Irgendwann ging es nicht mehr weiter“, erklären die Pflegeeltern. Colin ist nicht mehr beschulbar. Gemeinsam mit Schule, Vormund und Tageseinrichtung beschließen die Pflegeeltern, dass Colin in eine Klinik geht. „Wir brauchten eine Diagnose, irgendeinen Ansatzpunkt“, sagt Claudia. „Wir wollten wissen, wie wir ihn besser unterstützen können.“
Sich bewusst füreinander entscheiden!
ADHS und Bindungsstörung
lautet die Diagnose. Eine Wohngruppe ist eine Option. Doch dann kommt es zu
einem Wendepunkt in Colins Leben. „Während der viermonatigen Therapie hatte ich
viel Zeit zu reflektieren“, sagt der heute 16-jährige. „Mir wurde klar, dass
ich doch eigentlich gar nicht weg wollte von meinen Pflegeeltern.“ Für die
Pflegeeltern ein wichtiges Signal. „Uns hat das viel bedeutet. Wir sagten ihm, dass
wir auch möchten, dass er bei uns bleibt.“ Colin und seine Pflegeltern
entscheiden sich füreinander, für ein gemeinsames Familienleben. Es ist eine
Entscheidung, die beide Seiten bewusst treffen. Dieser Entschluss verändert das
Familienleben. Colin kommt zurück und es läuft besser als zuvor. Er wird
medikamentös behandelt. Die Pflegemutter geht frühzeitig in Rente. Dadurch lässt
auch das Gefühl der ständigen Überforderung nach.
Wir wünschen uns, dass
er ein eigenständiges Leben führen kann
Die Zeichen für Colins
Zukunft stehen gut: Colin ist zunehmend in der Lage, seine kommunikativen
Qualitäten einzusetzen. Auf Freizeiten für Pflegekinder hat er einen guten
Draht zu den Teamern, durch sein offenes Wesen und soziales Engagement wird er
zum Schulsprecher, absolviert seinen qualifizierten Hauptschulabschluss. Auf
einer Berufsfachschule will er nun seine mittlere Reife machen. Einen Beruf mit
sozialer Ausrichtung könnte er sich vorstellen. Vielleicht Erzieher oder
Polizist. Letztendlich wünschen sich die Eltern, dass Colin irgendwann ein
selbstständiges, gutes Leben führen kann.
Die eigenen Wurzeln finden…
Die Frage nach seinen
Wurzeln beschäftigt den Jugendlichen wie viele Pflegekinder in der Pubertät. Zu
seinen leiblichen Eltern hat Colin keinen Kontakt. Seine Mutter ist vor einigen
Jahren verstorben, der Vater außer Landes. Die Pflegeeltern wollen versuchen,
Kontakt mit ihm aufzunehmen. Zu seiner Halbschwester, die ebenfalls in einer
Pflegefamilie aufwächst, besteht ein enges Verhältnis. Die Pflegschaft
abzubrechen, kam für die Familie nie wirklich infrage. „Wir haben oft
übergelegt, was wir tun würden, wenn dies unser leibliches Kind wäre. Dann
hätten wir es auch nicht aufgegeben“, sagt Georg. Die Pubertät bei
Pflegekindern kann Familien in die Krise stürzen. Wichtig sei, dass man sich
Unterstützung holt. Es braucht Menschen an der Seite der Pflegeeltern, die
Verständnis aufbringen. Die Familie empfiehlt, eine Organisation einzubinden.
„Man glaubt vorher nicht, welche Dynamik das Verhalten eines Pflegekindes aufnehmen
kann.“
Viel Verständnis hat
Colin auch heute noch nicht für die Entscheidungen seiner Eltern – nicht untypisch
für einen Jugendlichen in seinem Alter. „Es sind immer wieder Kleinigkeiten,
über die sich meine Pflegeltern aufregen.“ Die Entscheidungen der Eltern sind
nicht immer im Sinne der Kinder. Handynutzung, der Wunsch nach einem
Motorradführerschein und der Vergleich mit anderen Jugendlichen liefern Zündstoff
für Diskussionen. Die Pflegeltern akzeptieren das. Das Zusammenleben mit Colin
hat auch neue Sichtweisen eröffnet.
„Wir können unsere Kinder
nicht nach unserem Willen formen. Wir können sie nur begleiten und ihnen Wege
aufzeigen“, sagen die Pflegeltern. „In erster Linie geht es darum, sein
Pflegekind mit all seinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren. Wer glaubt
einen Menschen grundlegend verändern zu können, gibt sich einer Illusion hin.“